Das Konzerthaus Pärnu: Pärnu kontserdimaja

Das Konzerthaus Pränu (estnisch: Pärnu kontserdimaja) ist das kulturelle Zentrum Pärnus. Am 30.11.2002 wurde es nach kurzer Bauzeit eingeweiht. Das Gebäude wurde von den Architekten Katrin Koov, Kaire Nõmm und Hanno Grossschmidt gestaltet. Die jungen Esten, damals 29 bzw. 31 Jahre alt, hatten sich in einem Architekturwettbewerb gegenüber der Konkurrenz unter dem Arbeitstitel „offenes Schneckenhaus“ durchgesetzt. In der aufstrebenden Stadt wollte man am Rande des Stadtzentrum auf bis dahin unbebautem Gelände neue stadtplanerische Akzente setzen. Ein neues, modernes Einkaufszentrum befindet sich nun ebenfalls in unmittelbarer Nähe. Eine kurze Fußgängerzone verläuft zwischen den alten und neuen Gebäuden.

Pärnu kontserdimaja: Südseite
Vom Weg zwischen dem Pärnu Museum und einem Teil des Einkaufszentrums blickt man auf die Südseite des Pärnu kontserdimaja. Gut zu erkennen ist eine der Treppen, die in den ersten (Zugang zum Parkett) und zweiten (Zugang zu den Balkonen) Stock führt

Der Hauptbauunternehmer war AS Remet. Die Kosten für den Bau betrugen lediglich 95 Millionen Kronen (entspricht ca. 6,1 Mio. Euro), wovon 75 Millionen Kronen aus dem Staatshaushalt und 20 Millionen Kronen aus dem Stadthaushalt von Pärnu stammten.

Das Konzerthaus wurde als multifunktionales Gebäude geplant. Neben zwei Konzertsälen birgt es eine Musikschule, eine Galerie, ein Musikgeschäft und natürlich ein kleines Café (Kohvik Cello). Auch das Stadtorchester Pärnu hat dort seinen Sitz. Veranstaltungen aller Art finden im von Eesti Kontsert verwalteten Gebäude statt. Von Solorezitalen, Kammermusik bis zu Sinfoniekonzerten ist die gesamte Breite der klassischen Musik vertreten. Da kein Orchestergraben vorhanden ist, können Opern nur konzertant gegeben werden. Doch auch Popkonzerte, Theaterabende oder Empfänge finden hier statt. Die Bestuhlung im Parkett des großen Saals kann entfernt werden, so dass auch Tische für ein Bankett aufgestellt werden können.

Pärnu kontserdimaja: Nordseite
Die Nordseite des Pärnu kontserdimaja ist nüchtern gestaltet. Eine große Straße trennt den Raum zum Park an der Flussseite

Man kann das Gebäude von außen komplett umrunden. Umrunden ist beinahe wörtlich zu nehmen: Die Grundfläche entspricht eher einem Oval; nur die Langseiten sind gerade gezogen. Die Nordseite zum Fluss ist unscheinbar und sollte in der Aufenthaltsqualität verbessert werden. Die unmittelbare Nähe zu einem kleinen Park und zum Fluss kommt bislang kaum zur Geltung. Die Nordseite ist die Tagseite. Bei geöffneten Fenstern kann man Musikfetzen aus der dort untergebrachten Musikschule vernehmen. Die repräsentative Seite befindet sich im Süden und Westen. Eine bodentiefe, gewölbte Fensterwand gibt den Blick aufs Innere frei, insbesondere abends, wenn das Licht aus dem Gebäude nach außen strahlt. Dann bekommt das Haus einen einladenden goldenen Schein. Die Säulen, die die Glaswand unterbrechen könnten die zusammengeschobenen Vorhänge einer Theaterbühne sein.

Pärnu kontserdimaja: nachts
Am Abend lässt die Innenbeleuchtung das Pärnu kontserdimaja erstrahlen

Vom Vorplatz aus führt ein Arkadengang in den ersten Stock des Gebäudes. Insbesondere im Sommer versammeln sich dort in den Konzertpausen die Besucher, um den Ausblick bei einem Glas Wein oder Cognac zu genießen.

Pärnu kontserdimaja: Blick nach draußen
In der Konzertpause kann man vom Wandelgang aus den Blick nach draußen genießen

Betritt man das Konzerthaus über den Haupteingang, gelangt man an der Konzertkasse vorbei in das Foyer, in dem sich auch das Kohvik Cello befindet. Die Garderobe ist kostenpflichtig. Die Kartenkontrolle erfolgt an den beiden in den ersten Stock führenden Treppen. Im ersten Stock umschmiegt ein U-förmiger Wandelgang den Konzertsaal. Durch die Glasfront kann man den Blick nach außen genießen. In den Pausen öffnen sich auch die Türen zum flussseitig gelegenen Arkadengang. Zwei kleine Bars versorgen vor dem Konzert und in den Pausen das Publikum mit Häppchen, Kuchen und Getränken. Mehrere Türen führen ins Parkett des großen Konzertsaals.

Pärnu kontserdimaja: Kohvik Cello
Das Kohvik Cello lädt in modernem Design tagsüber sowie vor dem Konzert und in den Pausen zu kleinen Speisen oder Getränken ein

Während der Kammermusiksaal bis 160 Personen Platz bietet, sind im großen Konzertsaal Sitzmöglichkeiten für maximal 898 Personen. Der Grundriss des großen Konzertsaals entspricht einem abgerundeten Schuhkarton. Das Parkett ist leicht ansteigend, so dass von allen Plätzen die Bühne gut sichtbar ist. Oberhalb des Parketts befinden sich an den Längsseiten Seitenbalkonplätze sowie im hinteren Bereich ein Mittelbalkon. Die Balkonplätze sind vom zweiten Stock aus zugänglich. An der Stirnseite des Saals blickt auf die Chorempore, auf dem je nach Konzert auch ein Teil des Publikums Platz findet. Letztlich sind also im Balkonbereich ringsum Sitzplätze.

Ebenfalls an der Stirnseite schaut man auf den Orgelprospekt. Zum Datum, wann die Orgel des Konzertsaals fertiggestellt wurde, findet man im Internet unterschiedliche Angaben. Zum Zeitpunkt der Eröffnung wird in der Tagespresse berichtet, dass es noch ein paar Monate dauern würde, bis Orgel eingebaut sei. Dies deckt sich mit Angaben, demzufolge die Orgel 2003 eingebaut wurde [1]. Auf den Seiten des verantwortlichen Orgelbaumeisters Martin ter Haseborg selbst wird 2007 angegeben [2]. Sie ist übrigens die einzige Orgel Estlands mit Spanischen Trompeten.

Pärnu kontserdimaja: Blick auf die Bühne
Blick auf die Bühne, die Chorempore und den Orgelprospekt. Farbige Strahler lockern den nüchternen Aspekt der Halle auf

Der große Konzertsaal ist funktional und einfach gestaltet. Weißer Rauputz bedeckt die Wände im Zuschauerbereich. Im oberen Bereich helfen senkrecht angebrachte Lattenstrukturen zu starke Halleffekte zu vermeiden. Die gepolsterten Klappsitze sind mit rotem Stoff bezogen. Strahler von mehreren Beleuchtungsbrücken werden genutzt, den Saal verschiedenfarbig auszuleuchten. Rings um das Parkett oberhalb der Kopfhöhe strömt kühlende oder wärmende Luft durch die Lüftungsgitter. Leider ist die Klimaanlage im Parkett insbesondere auf den seitlichen Plätzen bisweilen leise, doch deutlich hörbar.

Sowohl im Parkett als auch auf dem Mittelbalkon ist der Klang warm, transparent und ausbalanciert. Weder stört ein zu langer Nachhall, noch ist Klang zu trocken. Auch die räumliche Wirkung ist gut. Dies gilt für Solorezitale, Kammermusik und Sinfoniekonzerte. Bei den großen Orchesterbesetzungen des romantischen Repertoires kommt der Saal jedoch an seine Grenzen. Der Klang überschlägt sich und der es wird schnell zu laut, selbst wenn der Dirigent dynamisch ausbremst. Es gibt eben keinen Raum der gleichermaßen für alles geeignet ist. Unter dem Strich ist der Saal für klassische Musik bestens geeignet. Die Akustik des Saals überzeugt.

Wer sich hiervon ein eigenes Bild machen möchte, dem sei ein Besuch des jährlich Mitte Juli stattfindenden Pärnu Music Festivals empfohlen.

Praktische Informationen

Pärnu kontserdimaja
Aida 4
80011 Pärnu
Estland
Internet: https://parnu.concert.ee/en/

Referenzen

1) https://parnu.concert.ee/en/reserve-a-hall/

2) https://www.orgelbau-ostfriesland.de/

Die Casa da Música in Porto

Im Rahmen der Initiativen als Kulturhauptstadt Europas 2001 wurde in Porto 1999 der Entschluss gefasst, ein multifunktionales Konzerthaus zu bauen. Ein solches Gebäude in nur 2 Jahren pünktlich fertigzustellen, war offensichtlich ein zu vermessener Plan. Nach 6 Jahren Bauzeit konnte es am 14. April 2005 eingeweiht werden. Wie so oft konnte neben dem Zeitplan auch der Kostenrahmen nicht eingehalten werden. Statt 33 Millionen Euro waren es am Ende mehr als 119 Millionen, die für das Gebäude aufgewendet werden mussten. Diese Investition hat sich aber gelohnt. Unter Leitung des niederländischen Architekten Rem Kolhass ist dem Büro OMA ein ebenso interessanter, wie optisch, als auch akustisch befriedigender Bau gelungen.

Gleich drei Orchestern ist das Haus der Musik Heimstätte. Zuallererst ist hier das Orquestra Sinfónico do Porto Casa da Música zu nennen. Das klassische Sinfonieorchester, das früher Orquestra Nacional do Porto hieß, hat sich mit dem Umzug in die neuen Räumlichkeiten nach diesem umbenannt. Ähnlich wie später das NDR Philharmonieorchester den Namen seiner Hauptspielstätte in seinen Namen aufgenommen hat und nun NDR Elbphilharmonie Orchester heißt. Auch die anderen beiden Orchester haben den Gebäudenamen in ihrer Bezeichnung integriert: das Remix Ensemble Casa da Música, das sich der zeitgenössischen Musik widmet, und das Orquestra Barroca Casa da Música, das sich auf alte Musik spezialisiert hat. Daneben gibt es noch zwei Chöre: den Coro Casa da Música und den Coro Infantil Casa da Música.

Casa da Música: Außenansicht
Außenansicht der Casa da Música

Wie ein eingeschlagener Meteorit liegt die Casa da Música am Rande des Praça de Mouzinho de Albuquerque im Stadtbezirk Boavista. Das Gebäude unternimmt erst gar keinen Versuch, sich den benachbarten alten Häusern oder den Bürozweckbauten anzupassen. Es bedarf etwas Phantasie, um wie von den Architekten intendiert aus dem Polyeder das Heck eines halb im Schlick versunkenen Schiffes zu erkennen. Die das Gebäude umgebende Platzfläche ist an zwei Seiten wie große Wellen angehoben, wobei in einer dieser Wellen ein Geschäftsraum untergebracht ist. An der Rückseite befindet sich im Erdgeschoss hinter bodentiefen Fenstern ein einfaches Café, das nicht nur vor den Vorstellungen zu Getränken und kleinen Stärkungen einlädt. Von dort aus gelangt man auch in das Innere des Gebäudes.

Der eigentliche Eingang befindet sich jedoch seitlich. Eine breite Treppe führt zu einem schlitzförmigen Eingang. Wenn abends die Veranstaltung beendet ist und dann die Treppe und der Eingang beleuchtet werden, ergibt sich ein toller Effekt. Wie die Besatzung eines UFOs oder eines Raumschiffes scheint sich das Publikum aus dem Gebäude zu begeben.

Casa da Música: Eingang
Die Besucher verlassen die Casa da Música wie die Besatzung eines Raumschiffs

Auf ein repräsentatives Foyer wurde bewusst verzichtet. Neben der Konzertkasse befindet sich ein kleiner, offen gestalteter Laden. Die hieran anschließende Garderobe nimmt nur wenig Raum ein. In südeuropäischen Ländern gibt es erfahrungsgemäß keinen Bedarf für mehr. Über Treppen und Flure, deren Böden mit Metall und deren Wände mit Sichtbeton gestaltet sind, erreicht man einen der beiden Hauptsäle. Neben diesen gibt es noch weitere kleinere Räume für verschiedenste Zwecke.

Casa da Música: Innentreppe
Eine der Innentreppen in der Casa da Música

Glanzlicht und wesentlicher Kern der Casa da Mùsica ist zweifelsohne der Sala 1, nach einer portugiesischen Cellistin „Sala Suggia“ genannt. Das Parkett des im Schuhkarton-Stil gestalteten Saales ist mäßig steil ansteigend, wodurch von allen 1238 Sitzplätzen eine gute Sicht auf die Bühne besteht. Auch hier ist der Boden mit Metallplatten ausgelegt; die Wände sind jedoch mit Holz vertäfelt, welches mit Blattgold-Mustern verziert ist. Ein besonderer Pfiff sind die Sitze im Auditorium. Wo anderenorts der Sitz herunter geklappt wird, wird er hier herausgezogen.

Nicht recht zu passen scheint jedoch die Orgelempore, die in barocker Anmutung im vorderen Teil des Saales aus dem Rahmen fällt. Hinter der Bühne befinden sich als Chortribüne leicht erhöht ca. 90 Sitzplätze. Ein transparentes Glasgeländer gibt freie Sicht auch auf die untere Reihe der Plätze auf der Chorempore – und umgekehrt. Es ist eine Geschmacksfrage, ob man die Spiegelung der Bühnenmusiker als Zuschauer interessant oder als störende Ablenkung empfindet.

Casa da Música: Bühne
Die bühnenseitige Glaswand lässt die Bäume des vorgelagerten Platzes durchscheinen.

Einzigartig ist, dass beide Enden des Saales mit Glaswänden abschließen. Auch wenn das Glas aus akustischen Gründen grob gewellt ist, wird so der gewollten gesellschaftlichen Transparenz auch optisch Ausdruck gegeben. Es ist schön durch die bühnenseitige Glaswand die Bäume des davor liegenden Platzes zu erkennen, während man gespannt auf den Beginn der Veranstaltung wartet. Während tagsüber die Sonne das Gebäude von außen beleuchtet und abends bei gutem Wetter das helle Gebäude in goldenem Licht taucht, bringen am Abend und in der Nacht die farbige Strahler der Innenbeleuchtung Farbakzente in die Stadt.

Casa da Música: Blick aus dem Barbereich
Die farbige Innenbeleuchtung der Bar tritt in Wechselspiel mit dem kalten Licht der umliegenden Bürogebäude

Um zu starke Schallreflexionen insbesondere vom Schlagwerk und Blechbläsern zu vermeiden, wird bei klassischen Konzerten zumeist ein Vorhang vor den Glaswänden im Saal herabgelassen. Dieser wurde im Rahmen einer akustischen Nachjustierung 2012/13 durch die Firma KahleAcoustics installiert. Hierbei wurde auch das große, oberhalb der Bühne angebrachte Schallsegel, das der besseren Verteilung des Klangs dient, nochmals um 2 Meter angehoben. Seitlich der Bühne angebrachte Plexiglasscheiben dienen der besseren Kommunikation der Orchestermusiker auf der Bühne.

Casa da Música: Vorhang hinter der Bühne
Während des Konzerts wird ein Vorhang hinter der Bühne heruntergelassen, der vor zu starken Schallreflexionen durch die Glaswand schützt

Der Klang im Sala Suggia wirkt direkt und transparent, wenn auch ein wenig zu trocken und mit mäßiger räumlichen Wirkung. Der Saal ist eine gute Wahl für größere Kammerorchester oder kleinere sinfonische Besetzungen. Das große deutsch-romantische Repertoire wird anderenorts akustisch besser zur Geltung kommen.

In jedem Falle lohnt der Besuch: Hier kann man gute Musik in einem architektonisch spannendem Gebäude erleben.

Praktische Informationen zur Casa da Música

Avenida da Boavista, 604-610
4149-071 Porto
Portugal
Internet: https://www.casadamusica.com/
Telefon: +351 220 120 220
E-Mail: info@casadamusica.com

Der Piano Salon Christophori

Wer Marcel Prousts „À la recherche du temps perdu“ gelesen hat, wird ein lebendiges Bild des Salonlebens im Paris Ende des 19ten Jahrhunderts vor Augen haben. Großbürgerliche Mäzene geben der Musik einen Raum. Als gesellschaftlicher Treffpunkt spielt die Musik – anders als im Konzert – nicht immer die wichtigste Rolle. Nicht umsonst entwickelte sich Salonmusik als eigenes, teils zu unrecht gering geschätztes Genre. Und dennoch darf die Bedeutung für die Entwicklung der Musik keineswegs unterschätzt werden. Trotz des unterhaltenden und gesellschaftlichen Charakters konnte hier auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Musik, ihren Trends und Akteuren erfolgen. Tempi passati.

Christoph Schreier hat wenig mit der von Proust beschriebenen Madame de Villeparisi gemein. Der von ihm gegründete und geleitete Piano Salon Christophori in Berlin führt die Tradition des Musiksalons, oder besser gesagt seine besten Seiten ins 21. Jahrhundert. In einer ehemaligen Werkstatthalle der BVG restauriert er nicht nur historische Flügel, sondern veranstaltet auch Konzerte.

Als Soloabende oder in kleiner Besetzung erfolgen hier von Jazz über Klassik bis zur zeitgenössischen Musik Darbietungen auf hohem Niveau in entspannter und niederschwelliger Atmosphäre.

Hinter der schweren Eisentüre des Eingangs und einem wahrscheinlich ebenso schweren als Windfang dienendem Vorhang betritt man eine andere Welt. Der freundliche Mann, der einem die im Internet reservierten Karten an der Kasse überreicht, ist der Hausherr selbst. Er gibt einen kurzen Hinweis, wo die zugewiesenen Plätze zu finden sind, gleich gefolgt von der Empfehlung sich am Kühlschrank bei den Getränken selbst zu bedienen. Diese sind nämlich im Eintrittspreis enthalten. Der Impresario wird später auch sympathisch mit kurzen, amüsanten Worten selbst durchs Programm führen.

Die riesige Halle ist vom Charme der Patina des Industriegebäudes geprägt. Typisch Berlin könnte hier ebenso gut eine Hipster-Bar oder ein Technoclub untergebracht sein. Unzählige Korpusse restaurierter oder noch zu restaurierender Flügel stehen dicht an dicht die Wand entlang. Alle möglichen Bestandteile von Flügeln finden sich im Raum, teils dekorativ präsentiert. Vor der leicht erhöhten Bühne reihen sich einfache, aber bequeme Stühle und ein paar Sessel. 199 Personen finden hier Platz. Die Wände des Bühnen- und Zuschauerraums zieren großformatige Fotos von Künstlern, Gemälde und Drucke. Trotz der offensichtlich ungedämmten Decke und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt schaffen es die alten Radiatoren den Saal ausreichend zu temperieren.

Nicht nur die üblichen „Silberrücken“ finden sich im erfreulich gemischten Publikum; der Anteil junger Menschen ist weit größer als in anderen Sälen, wenn Kammermusikalisches oder Solorezitale auf dem Programm stehen. So leger auch die Atmosphäre vor dem Konzert und in der Pause sein mag, so groß ist doch die Konzentration des Publikums beim Vortrag – kein Geraschel mit Bonbonpapieren, kein nervtötendes Gehüstle zwischen den Sätzen, kein deplatzierter Applaus. Hier kommen offensichtlich Menschen der Musik, die sie lieben, wegen zusammen.

Abseits der international bekannten Berliner Philharmonie, der Staatsoper Unter den Linden etc. ist der Piano Salon Christophori eine sonst selten zu findende Perle.

Adresse: BVG Hauptwerkstätten (Uferhallen Gelände), Uferstraße 8 – 11, 13357 Berlin
Informationen: https://www.konzertfluegel.com

Heinrich Dorn und Richard Wagner

„Man sieht sich immer zweimal im Leben“, so heißt eine häufig verwendete Redensart.

Das erste Mal begegneten sich die beiden Komponisten in Leipzig im Hause des Verlegers Friedrich Brockhaus (der Sohn des Verlagsgründers Friedrich Arnold Brockhaus). Heinrich Dorn war mehr als 8 Jahre älter als Richard Wagner und bei der ersten Begegnung als Musikdirektors am kurfürstlichen Hoftheater bereits eine feste Größe im Musikleben Leipzigs. Unter Dorns Leitung erfolgte die erste öffentliche Aufführung einer Wagnerschen Komposition, die Konzertouvertüre B-Dur (WWV 10, „Paukenschlag-Ouvertüre“) [2 (S. 2), 3]. Wagner war selbst überrascht, dass Dorn sich bereit erklärt hatte, das Werk am Heiligabend 1930 ins Programm zu nehmen [3]. Beide Musiker berichten in ihren Autobiographien davon, dass Dorn das Werk vehement gegen die Bedenken der Musiker verteidigte. Es gelang Dorn dennoch vorerst nicht, die Theaterdirektion zu weiteren Aufführungen von Werken Wagners zu bewegen. In seinem Leipziger Abschiedsjahr (1832) wurde unter Dorns Leitung Wagners „Ouvertüre zu Raupachs Drama König Enzio“ uraufgeführt. Wie Wagner in seinen Memoiren schreibt, wurde sie im Programm nicht angekündigt; erst nachdem das Publikum Gefallen signalisiert hatte, fand das Werk bei den folgenden Abenden auf dem Programmzettel Platz [3].

1837 übernahm Wagner mit Hilfe Dorns die Stelle des Musikdirektors am Rigaer Stadttheater [1]. Für kurze Zeit hatte auch Dorn diese Funktion bekleidet, bevor er zum Musikdirektor an der Petrikirche in Riga berufen wurde. Es war die Freundschaft aus Leipziger Tagen, die Wagners Start in der seltsamen Ferne erträglich machte. Auch die Frauen der beiden Musiker verstanden sich wohl sehr gut. Mit großem Interesse konnte in diesen privaten Kreisen Dorn den Beginn der Entstehung von Wagners Oper „Rienzi“ verfolgen. Gemeinsam wurden Passagen hieraus auf dem Klavier gespielt, während Wagners Lebensgefährtin Minna Planer (seine spätere erste Ehefrau) und befreunde Musiker Gesangspartien übernahmen [2, S. 2 ff].

Die Brüderschaft, die Dorn und Wagner Ende der 1830er Jahre in Riga schlossen, sollte jedoch nicht von Dauer sein. Wagner beschuldigt Dorn, ihn von seinem Posten des Musikdirektors vertrieben zu haben [3]. Die Darstellung Dorns ist jedoch eine gänzlich andere. Aufgrund des öffentlichen Drucks wegen der von Wagner angehäuften Schulden und einem anstehenden gerichtlichen Mahnverfahren habe sich, so beschreibt es Dorn, der neue Theaterdirektor entschieden, Wagner zu feuern [2 (S. 4 – 5)]. Dorn übernahm die Stelle Wagners, um mit den ersten zwei Gehältern die Schulden Wagners zu übernehmen, damit dieser Riga ungefährdet verlassen konnte. Der schlechte Ruf Wagners und seine drohende Verhaftung dürften dazu geführt haben, dass er schlicht unhaltbar fürs Theater geworden war. Auch der Umstand, dass das Engagement Wagners für das Theater keineswegs von Enthusiasmus geprägt war – die Routine überließ er gerne seinem stellvertretenden Musikdirektor Franz Löbmann [3] – dürfte die Trennung für das Theater leicht gemacht haben. Zieht man ferner in Betracht, dass Wagner zeitlebens eine ausgeprägt egozentrische Weltsicht hatte und die Ursachen jedweder Unbill nicht bei sich, sondern andern suchte, erscheint die Version Dorns glaubhafter. Der Bruch sollte endgültig sein. Auch die musikalische Entwicklung erfolgte in unterschiedliche Richtungen.

Ein weiteres und wohl letztes persönliches Treffen der beiden Komponisten erfolgte anlässlich der Premiere von „Tristan und Isolde“ in München. Dorn beschreibt die Szenerie des Besuchs im Hause Wagner sehr anschaulich [2 (S. 5 ff)]. Wagner empfängt seinen alten Weggefährten zwar freundlich, dennoch bleibt die Szenerie unterkühlt. Während Wagner am Klavier seinen Gästen, hierunter auch Cosima von Bülow, die überarbeitete Venusberg-Szene des Tannhäuser vorspielte, wartete Dorn geduldig. Sobald das Klavierspiel beendet war, begrüßten sich die beiden Weggefährten. Wiewohl Dorn Wagner zur Begrüßung freundschaftlich umarmen mochte, wich Wagner dem aus. Nicht ausweichen konnte er dem freundschaftlichen Du, auch wenn er es gerne vermieden hätte [3]. Dennoch versäumte Wagner nicht, lobend die Aufführung des Tannhäuser durch Dorn in Berlin zu erwähnen, von der er nur Gutes gehört habe. Dies ist insoweit bemerkenswert, als dass Wagner versucht hatte, Franz Liszt und nicht Heinrich Dorn die Aufführung der Oper in Berlin leiten zu lassen [4]. Irritiert nahm er zur Kenntnis, dass Dorn sich für eine neue Oper Meyerbeers auf dem Weg nach Paris machen wollte, zugleich als selbstverständlich hinnehmend, dass Dorn und viele andere für den Tristan nach München reisten. Nach nur einer halben Stunde war die Plauderei auch schon wieder vorbei. Wagner hatte ihm noch zwei Karten für die Generalprobe der ersten beiden Aufzüge von „Tristan und Isolde“ ausgestellt.

Mit „Tristan und Isolde“ geht Dorn in seinen Memoiren hart zu Gericht. Anlässlich der Berliner Erstaufführung bekräftigt er diese übrigens Jahre später nochmals in einem Artikel für die Berliner Bürger-Zeitung, der sogar zusätzlich als Sonderdruck verlegt wurde [6].

Die Einleitung zum dritten Aufzug wird von Dorn gar als „höhere Katzenmusik“ bezeichnet. Auch sonst lässt er kaum ein gutes Haar an Wagners Meisterwerk; Lob wird sogleich mit deutlichem Tadel verbunden. Über den ersten Aufzug schreibt er zwar, dass ihn „[e]inzelne Momente packen“ und der „Schluss des ersten Aktes auf jeden, der die vorgehenden Scenen aufmerksam mitangehört hat, überwältigend wirken muss“, fügt aber sogleich an „Aber es ist – wie so oft in Wagner’s Opern – der Grashalm in der Wüste, welcher den ermatteten Wanderer das dürftige grüne Plätzchen als reizend üppige Flur erscheinen lässt“ [2 (S. 18)]. Diese gewiss überzogene Kritik mag aus heutiger Sicht befremdlich sein, doch Wagner war trotz der besonders leidenschaftlichen Anhänger seinerzeit keineswegs unumstritten, und Dorn stand mit seiner Meinung nicht alleine. Hector Berlioz beispielsweise, der Wagner durchaus zugewandt war, äußerste sich durchaus kritisch, wenn auch nicht grundweg ablehnend zu „Tristan und Isolde“ (vgl. hierzu ausführlicher in [5]). Und auch heute machen viele Musikkenner um Wagner aus den von Dorn beschriebenen Gründen ein Bogen. Gedehnte Langeweile ist nach wie vor ein oft gehörter Kommentar zu Wagners Opern. Und dennoch ist Dorns Urteil nicht aus blinder Verachtung genährt, sondern wohlbegründet und die Stärken Wagners sehr deutlich anerkennend. Natürlich macht er sich über manche Stilblüte in Wagners Werk lustig: „So dank‘ ich Geringes Deinem Herrn, rieth Dir sein Dienst Unsitte gegen sein eigen Gemahl? Sitte lehrt, wo ich gelebt: zur Brautfahrt der Brautwerbe meide fern die Braut. Aus welcher Sorg‘? Fragt die Sitte. Da Du so sittsam, mein Herr Tristan, auch einer Sitte sei nun gemahnt. (Hier endlich blieb der Dichter sitzen – schade dass es nicht in derselben Weise ein Weilchen fortgeht. […])“ [2, S. 41] Dennoch resümiert er schließlich über Wagners Dichtkunst: „Und trotz alldem … welche dichterische Kraft ruht in diesem genialen Manne! welche erhabenden Gedanken fördert er mitunter zu Tage, und wie hat er die Sprache in seiner Gewalt! Ja ich möchte behaupten[,] dass einzelne Stellen seiner Operndichtungen, namentlich in der Tetralogie (Rheingold, Walküre, Siegfried, Götterdämmerung), sich dem Besten anreihen[,] was die deutsche Literatur aufzuweisen hat.“ [2 (S. 43)]

Den musikalischen Ideen Wagners stand Dorn mit Befremden gegenüber. Die unendliche Melodie, einer der Kerngedanken der späteren Wagner-Opern, mag ihn nicht fesseln. „[K]eine gefällige Phrase, keinen voraussichtlichen Abschnitt, keinen fasslichen Rhythmus, keine erleichternde Wiederholung“ [2 (S. 45)], so fasst Dorn die Wirkung zusammen. Unsingbar, ein wohl nicht ganz von der Hand zu weisendes Etikett, das er den Melodien gibt. Der Kern seiner Kritik liegt aber wohl darin, dass seiner Auffassung nach, die Melodieführung den Rollen nicht entspricht. Kein Seemann würde so singen, wie es Wagner im Tristan komponiert habe [2 (S. 48)]. Die gesamte Oper ist seiner Meinung nach voller harmonischer Ungeheuerlichkeiten. Ganz anders seine Meinung zu den Instrumentationskünsten Wagners: „Hierin ist Wagner ein Meister ersten Ranges“. Auch wenn die „Lungen der Sänger“ mit der starken Instrumentation kaum mithalten können, so nimmt er hier Wagner in Schutz. „Seine Instrumentierung ist überraschend und neu, immer charakteristisch, immer effektvoll“ [2 (S. 66)]. Seine Einschätzung zur Wirkung die Wagner auf die Musikgeschichte haben würde, fasste Dorn wie folgt zusammen: „Seine Opern können begeisterte Anhänger[,] aber keine glücklichen Nachahmer finden, sie können keine Schule begründen[,] weil sei auf unnatürlicher Basis beruhn […]“ [2 (S. 67)]. Man wird Dorn weitgehend widersprechen wollen: Die Art der Dichtkunst der Libretti, die Art der Verbindung von Text, Musik und Drama blieben zwar einmalig, einzigartig, doch viele seiner Ideen wurden von nachfolgenden Komponisten rege aufgegriffen und weiterentwickelt.

In beißend ironischen Worten gekleidet deutet er, dass Wagner sich mit der Schrift „Das Judenthum in der Musik“ schlicht über jüdische Größen wie Mendelssohn, Meyerbeer oder Offenbach in maßloser Eitelkeit erhöhen wollte [2 (S. 69)]. Eine Deutung, die auch mir nahe liegt. Zustimmen wird man Dorn auch, wenn er schließt: „Wagner von den Juden verfolgt – das ist der höhere Blödsinn; und vor ferneren Ausbrüchen desselben möge ein gültiges Geschick den reichbegabten Künstler bewahren!“ [2 (S. 69)]

Häufig ist über Dorn zu lesen, dass er ein erbitterter Feind Wagners gewesen sei. Dies erscheint mir jedoch eine nicht tragfähige Verkürzung des komplizierten Verhältnisses, das sicherlich durch egomanisches Verhalten beiderseits im Laufe der Zeit und durch spezifische Ereignisse zwar zerrüttet war, aber dennoch insbesondere von Dorns Seite mit großem Respekt vor der Leistung Richard Wagners geprägt war.

Referenzen

1) Leverett, Adelyn Peck. Liszt, Wagner and Heinrich Dorn’s Die Nibelungen. Cambridge Opera Journal 1990;2(2):121 – 144

2) Dorn, Heinrich. Eine musikalische Reise und zwei neue Opern. In: Aus meinem Leben 1. Berlin 1870

3) Wagner, Richard. Mein Leben. Erster Theil Online Version http://www.zeno.org/Literatur/M/Wagner,+Richard/Autobiographisches/Mein+Leben/Erster+Teil%3A+1813-1842 (zugegriffen: 20.11.2022)

4) Wagner, Richard. Mein Leben. Dritter Theil. Online Version http://www.zeno.org/Literatur/M/Wagner,+Richard/Autobiographisches/Mein+Leben/Dritter+Teil%3A+1850-1861 (zugegriffen: 20.11.2022)

5) Bloom, Peter. Berlioz und Wagner. Épisodes de la vie des artistes. Übersetzt von Hans R. Vaget. Archiv für Musikwissenschaft 2001;58(1):1 – 23

6) Dorn, Heinrich. Tristan und Isolde von R. Wagner (Erste Vorstellung in Berlin 20. März). Verlag der Berliner Bürger-Zeitung. Berlin 1876

Moulin Rouge! Das Musical – Weniger wäre mehr

Der Musical Dome in Köln, von Einheimischen wegen des blauen Dachs aus Kunststoffplane oft auch als „die Mülltüte“ bezeichnet, beherbergt seit Oktober ein neues Musical. Dieses soll anders als frühere Musicals am gleichen Ort über einen langen Zeitraum, mehrere Jahre gespielt werden. Entsprechend hat man nun das Foyer saniert und den Zuschauerraum aufwendig neu gestaltet. Und in der Tat besticht insbesondere der Zuschauerraum mit seiner vielfältigen, prunkvoll-plüschig und bestem Sinne kitschigen Dekoration. Auch das Bühnenbild und die Kulissen sind überaus gelungen. Die Kostüme fügen sich ebenfalls in das Gesamtkonzept mit ihren farbenprächtigen Designs perfekt ein.

Moulin Rouge - Musical Dome
Von der rechten Rheinseite hat man einen schönen Blick auf den Musical Dome

Dennoch vermag das Musical unter dem Strich nicht überzeugen. Am Ende kommt es auf die Musik und das Schauspiel an. Und hier schwächelt es erheblich. Die gesangliche Leistung des Hauptdarstellers Riccardo Greco kann trotz der gelegentlichen Intonationsprobleme als überzeugend bezeichnet werden. Die Rolle des Christian ist wegen der in Stil und Stimmumfang schnell wechselnden Stücken sehr herausfordernd. Von satter Baritonlage bis zum Falset bedarf es eines sicheren Stimmumfangs. Die schauspielerische Leistung fällt hier jedoch ab. Die Figur wirkt nur selten überzeugend. Die Sprechanteile erinnern in ihrer Darbietung allzu oft an schlechte Vorabendserien. Greco legt die Figur tendenziell komödiantisch an. Der Entwicklung tiefen Mitgefühls des Zuschauers ist dies nicht förderlich.

Der Hauptdarstellerin Sophie Berner nimmt man die Figur der Satine nicht ab, es fehlt an der spezifischen Aura. Da nützt auch die sichere Stimmführung nicht. Andere Darstellerinnen (z. B. Annakathrin Naderer als Nini) sind da schon überzeugender. Auch Alvin Le-Bass vermag als Toulouse-Lautrec die Sympathien zu gewinnen.

Die eigentliche Schwäche des Musicals ist aber die Gesamtkonzeption aus Musik und Text. Die Dialoge werden nicht nur hölzern vorgetragen, sondern sind auch zumeist hölzern geschrieben. Die Sprache fließt nicht, was nicht nur den Darstellern, sondern auch den Autoren anzulasten ist. Die Übersetzung englischer Songs wirkt oft gekünstelt, gelegentlich auch nicht dem Versmaß bzw. dem Rhythmus folgend. Man scheint versucht zu haben, möglichst viele Stücke aus dem Bereich der wohl bekannten englischen Popsongs bis hin zum aktuellen deutschen Schlager zu verwenden. Wenn sich die Veranstalter rühmen, mehr als 150 Songrechte gesichert zu haben, kann dies leider nur als sportliche Leistung gelobt werden. Statt der Geschichte und den Emotionen zu folgen, wird so das „Erkennen Sie die Melodie“ zum Sport. Der Erzählfluss wird schlicht zerstört durch eine zu große Anzahl von Stücken, die oft nur in Fragmenten erklingen. Auch im gleichnamigen Film wird gelegentlich davon Gebrauch gemacht, dass Textzeilen einzelner Lieder sich zu einem Dialog zusammenfügen, doch steht dies anders als im Musical in einem angemessenem Verhältnis zur vollständigen bzw. weitgehenden Darbietung eines Songs. Im Musical ist das Verhältnis umgekehrt, fast kein Stück erklingt annähernd vollständig. Vielmehr erfolgen rasante Wechsel der Stückfragmente. Damit wird etwaig aufkommenden Emotionen komplett der Raum genommen. Emotionen brauchen Zeit, die nur allzu selten gegeben wird. So sind die stärksten Momente des Musicals tatsächlich die ruhigeren Passagen. Natürlich bedarf die Geschichte einer grellen, bunten und abwechslungsreicher Untermalung, auch in der Choreographie. Diese ist zwar oft schön anzusehen, doch auf die Dauer ist Vollgas eben auch ermüdend und langweilig. Dies umso mehr, wenn gerade in den Momenten, wo Empathie und Einfühlung mit den Figuren entstehen könnte, dies durch einen raschen Tempowechsel abgebrochen und so verhindert wird. Doch wenn Emotionen nicht der notwendige Raum gegeben wird, bleibt es oberflächlich. Die Geschichte rührt nicht mehr an. Weniger Songs, weniger Choreographie wäre da mehr gewesen.
Stattdessen versucht man mit übertrieben wummernden Bässen und Lautheit mitzureißen. Das wirkt jedoch nur billig. Im Übrigen wird die Lautstärke des öfteren wörtlich bis an die Schmerzgrenze ausgereizt. Da hilft dann Ohrenzuhalten.

Natürlich darf man ein Live-Musical nicht mit einem Film vergleichen. Dennoch sei erwähnt, dass eines der musikalisch interessantesten Stücke („Roxanne“) in einem Schlüsselmoment der Handlung leider weit von der Qualität des „Originals“, sprich der Bearbeitung für den Film, entfernt ist. Die spannende Polyphonie, die Ausdruck der verschiedenen Emotionen und Figuren ist, kommt leider nicht rüber. Auch szenisch gelingt die Umsetzung nicht wirklich.

Schade ist auch, dass man dem Publikum wohl wahre Begeisterung nicht zutraut. Die Zuschauer werden im Schlussfeuerwerk undifferenziert angeheizt. Eine nuancierte Rückmeldung an die einzelnen Darsteller durch stärkeren oder weniger starken Applaus ist so nicht möglich, bedauerlich.

Mängel sind auch im Vorderhaus festzustellen. Wie schon zu Zeiten der Nutzung des Zeltes als Ersatzspielstätte für die Oper Köln bleibt die Garderobensituation chaotisch. Gerade beim Abholen der Jacken fehlt ein System, aber auch Platz. Abholende drängen sich gegen diejenigen, die ihre Jacken schon in den Händen halten. Vermeidbar wäre aber sicherlich der unbefriedigende Service an den Bars. Das Personal scheint schlecht eingearbeitet. Während eine Person die Bestellung aufnimmt und kassiert und das Getränk holt oder zubereitet und ausgibt, steht ein paar Meter weiter ein Mitarbeiter herum, nur um darauf zu warten, bis der Ofen einen Flammkuchen erwärmt hat. Mit geschickterer Arbeitsteilung wäre der Service bei gleicher Personaldecke schneller und effektiver zu gestalten. Becher gibt es übrigens nur gegen Pfand, das man sich in der gleichen Schlange (also wieder langes Warten) zurückholen muss.

Auch wenn die Einrücke einer Voraufführung kurz vor der Premiere entstammen, erscheinen die Schwächen des Konzepts so zentral, dass nicht darauf zu hoffen ist, dass diese ausgeräumt werden können. Als Wirtschaftsfaktor für den Standort Köln erwarte ich zwar vom Kölner Stadtanzeiger Lobeshymnen. Doch mein Rat ist, das Geld für die musicaltypischen hohen Eintrittspreise lieber anders auszugeben, z. B. auf der anderen Rheinseite.

Die Isarphilharmonie in München

Die Isarphilharmonie ist ein echter Gewinn für die Musiklandschaft in München. Vor etwa einem Jahr, am 08.10.2021 wurde die Philharmonie mit einem Konzert der Münchener Philharmoniker unter der der Leitung von Valery Gergiev eröffnet. Sie bietet bis zu 1956 Besuchern Platz.
Das Auditorium ist im modifizierten „Schuhkarton-Stil“ konzeptioniert. Anders als im klassischen Schuhkarton-Stil steigen die Reihen in Parterre, abgesehen von den ersten drei Reihen, deutlich an. Dies ermöglicht auch in Parterre allen Besuchern eine gute bis ausreichende Sicht auf die Bühne. Insofern unterscheidet sich auch der mittlere Balkon nicht wesentlich von der Parterre, wobei die Sicht auf die Musiker zweifelsohne besser ist. Seitlich der Parterre sind die Sitzplätze in den Seitenbalkonen (1. Obergeschoss) und den Seitenrängen (2. Obergeschoss) angeordnet; der Rang mitte ist im Stockwerk (2. Obergeschoss) über dem mittleren Balkon (1. Obergeschoss). Seitlich und hinter der Orchesterbühne finden Zuschauer im ersten Stock im Chorbalkonbereich Platz. Die jeweils erste Reihe in den seitlichen Bereichen blickt durch einen Maschendrahtzaun aufs Bühnengeschehen. Gerade im einreihigen Chorbalkon drängt sich da etwas der Eindruck von „Hühnern auf der Stange“ auf.

Isarphilharmonie (Chorbalkon)
Blick auf Sitzplätze hinter Maschendraht im Bereich des Chorbalkons in der Isarphilharmonie


Der helle Bühnenboden kontrastiert zu den Saalwänden, die aus dunkel getünchten Kiefernlatten gestaltet sind. Es mag am hellen Licht liegen, dass trotz der Dominanz des Dunkelgraus nicht der Eindruck entsteht, im Saal „eingesargt“ zu sein. Hat man sich einmal auf dem Sitz eingefunden, kann man sich bei genügend Beinfreiheit sehr schnell wohlfühlen.
Für die Akustik des Saals zeichnet sich Yasuhisa Toyota verantwortlich. Ungute Erinnerungen an die für mich unbefriedigenden Klangerlebnisse in der Elbphilharmonie, die ebenfalls von ihm akustisch gestaltet wurde, kommen im Vorfeld auf; diese wurden glücklicherweise jedoch hier nicht bestätigt. Von dem Besuch eines einzigen Konzerts auf die Akustik des Gesamtsaales ist vermessen; doch zumindest dieser eine Besuch hinterlässt einen guten Eindruck. Obwohl der gewählte Platz im weit vorderen Bereich des Parketts gelegen war, spürte man den Raumklang. Einerseits waren die einzelnen Instrumente ob der Bühnennähe sehr gut zu verorten, und dennoch mischte sich andererseits der Klang ausreichend. In den Schlussszenen von Wagners Götterdämmerung entwickelte sich das Gefühl, mitten in der Klangwolke, im Klangorkan zu sein; und dennoch wurde man nicht zugedröhnt. Ein wahrlich imposantes Erlebnis. Anzumerken bleibt, dass auf den Einbau einer Orgel verzichtet wurde. Dies dürfte angesichts dessen, dass die Isarphilharmonie lediglich als Ersatzspielstätte gebaut wurde, zu verschmerzen sein.
Während das Auditorium in einer neu errichtetet Stahlkonstruktion eingebaut wurde, befindet sich das Foyer in einer vorgelagerten ehemaligen Turbinenhalle (Halle E). Diese Halle dient jedoch nicht nur als Eingangshalle mit Garderoben, Café und Bar, sondern beherbergt auch einen Teil der Münchner Stadtbücherei und einen weiteren kleinen Veranstaltungsraum („Projektor“).

Foyer der Isarphilharmonie
Das Foyer der Isarphilharmonie


Auf dem Gelände des Gasteig HP8, deren Zentrum die Isarphilharmonie bildet, sollen zukünftig weitere Einrichtungen ihre Heimat finden. Direkt neben der Philharmonie gelegen hat sich das Restaurant Gaia auf die Konzertgäste eingerichtet. Ohne Sorge zu haben, den Konzertanfang zu verpassen, können einfache, ordentlich zubereitete Gerichte den Magen stärken.
Nachteilig ist die Anbindung des Geländes. Zur nächsten U-Bahn-Station ist es ein fast 15 minütiger Fußweg, der mit schickem Schuhwerk nur ungern zurückgelegt werden dürfte. Nach einer Veranstaltung sind die Busse rasch überfüllt, was zu zusätzlichen Wartezeiten führen kann. Mal ganz davon abgesehen, dass der geneigte Besucher eines himmlischen Konzerts durch das Gedränge im Bus allzu schnell geerdet wird. Hier könnten die Münchener Verkehrsbetriebe in Abstimmung mit den Veranstaltern über eine gesonderte zusätzliche Taktung nachdenken.
Dass der Stadt München innerhalb der vorgesehenen Bauzeit ein Konzertsaal gelungen ist, verdient allen Respekt. Alle Zeichen stehen dafür, dass das HP8 mit den weiteren Kultureinrichtungen eine weiter positive Entwicklung nehmen wird. Hätte ich die Wahl zwischen dem gleichen Konzert in der imposanten und modernen Elbphilharmonie oder in der Isarphilharmonie mit ihrem kargen, aber sehr gelungenen Industriedesign, ohne Frage, ich würde die Isarphilharmonie wählen.

Heinrich Dorn – Eine biographische Skizze

Heinrich Dorn (Portrait 2)
Heinrich Dorn, Portrait im mittleren Alter. Bearbeitetes Digitalisat der Österreichischen Nationalbibliothek. http://data.onb.ac.at/rec/baa3561316 (Zugriff 20.09.2022)

Heinrich Dorn? Selbst die meisten kulturbeflissenen Kölner werden bei diesem Namen nichtssagend mit den Schultern zucken, und dies, obwohl Heinrich Dorn eine wichtige Rolle für die Kulturentwicklung gespielt hat. Weitestgehend vergessen ist heute, dass er als Komponist, Dirigent und Musikkritiker das Musikleben im 19. Jahrhundert entscheidend mitprägte. Heute steht er im Schatten der Großen, die er unterrichtete und förderte.

Am 14. November 1804 wurde er in Königsberg (heute Kaliningrad) in eine musikalische Familie geboren. Seine Mutter war Klavierlehrerin, die nach dem frühen Tod ihres ersten Ehemanns Dorns Vater Johann Friedrich Dorn heiratete, der als Komponist, Musikkritiker und nicht zuletzt als Musikdirektor am Königsberger Theater wirkte [1]. Heinrich Dorns erste Oper „Die Rolandsknappen“ erfuhr ihre Erstaufführung 1826 in Berlin. 1828 trat er als Kapellmeister in Königsberg in die Fußstapfen seines Vaters. Ein Jahr später übernahm er die Position des Musikdirektors am kurfürstlichen Hoftheater in Leipzig [2]. Dort wurden auch seine Opern „Die Bettlerin“ und „Abu Kara“ uraufgeführt [3].

In Leipzig unterrichtete er keinen geringeren als Robert Schumann in Komposition. Mit ihm blieb er auch in den folgenden Jahren freundschaftlich verbunden. Auch Clara Wieck, die später Schumann ehelichte, wurde von Dorn unterrichtet. In Leipzig lernte er Richard Wagner kennen, dessen Talent er erkannte und den er förderte [4]. 1832 vertrat er für wenige Monate den Kapellmeister Krebs am Hamburger Theater. Noch im gleichen Jahr sollte er nach Riga weiterziehen, wo er zunächst als Kapellmeister am Theater und kurz darauf als Musikdirektor an der Petrikirche wirkte [3, 5]. Seine Stelle des Kapellmeisters am Theater übernahm seinerzeit Richard Wagner. Nach Wagners Flucht aus Riga wurde er dessen Nachfolger – zusätzlich zu seiner Funktion als Musikdirektor der Petrikirche.

1843 folgte er dem Ruf nach Köln als Kapellmeister des Gürzenich-Orchesters und des Theaters und als Leiter der Concert-Gesellschaft. Die Funktion im Theater wurde ihm jedoch schon nach einem Jahr gestrichen. Zu den großen Erfolgen darf die Leitung der Niederrheinischen Musikfeste in den Jahren 1844 bis 1847 gelten. In seine Zeit fiel auch die erste ungekürzte Aufführung der Missa solmenis Beethovens. Letztere erfolgte wohlgemerkt im Gürzenich und nicht, wie man es hätte erwarten können, im Hohen Dom zu Köln, wo er im Domorganisten Weber einen gewichtigen Widersacher hatte. Dem zum Trotz, so möchte man sagen, fand seine Festouvertüre zur Grundsteinlegung des Weiterbaus des Kölner Doms 1848 durchaus positiven Anklang. Sie wurde später als sein Opus 60 bei Schott veröffentlicht [6]. Obwohl er offensichtlich gegen erhebliche Widerstände in Köln ankämpfen musste, gelang es ihm 1845 bei der Stadt Köln eine Genehmigung für die Gründung und Leitung der Rheinischen Musikschule zu erhalten. Diese war zunächst eher als Musiklehrerseminar konzipiert, in das Schülerinnen und Schüler ab 15 Jahre aufgenommen wurden. Die andauernden Widerstände der etablierten Bürgerschaft in Köln waren wohl mit Ursache dafür, dass die Musikschule beinahe ausgetrocknet wäre (zuletzt nur drei Neuaufnahmen). Dennoch misslang den Gegnern Dorns ihn abwählen zu lassen. Mit 21 zu zwei Stimmen fiel der Abwahlantrag krachend durch [7]. Erst seinem Nachfolger in Köln Ferdinand Hiller gelang es, die Rheinische Musikschule auch im Sinne eines Konservatoriums erfolgreich weiterzuentwicklen.

Kaum verwunderlich, dass Dorn nur allzu gern sich nach dem Tode Otto Nicolais auf die Stelle des Hofcapellmeisters in Berlin als dessen Nachfolger bewarb. An der Königlichen Hofoper Berlin war die musikalische Leitung auf gleich drei Dirigenten aufgeteilt: Heinrich Dorn teilte sich mit Gottfried Wilhelm Taubert die Aufgabe symphonische Konzerte und Opern aufzuführen; einem dritten Dirigenten, Peter Hertel, oblag es, die Ballettaufführungen zu leiten [3]. In Dorns Berliner Zeit fällt die Komposition der beiden Opern „Ein Tag in Rußland“ und „Die Nibelungen“. Als Dirigent wurde er insbesondere von den Sängern geschätzt und genoss als solcher insgesamt einen hervorragenden Ruf [3]. Doch wurde er zunehmend von der Presse kritisiert, die ihm musikalischen Stillstand vorwarf. Seine späteren Opern und Operetten fanden beim Publikum kaum mehr Resonanz. Überraschend, ohne offizielle Kündigung und ohne dass die näheren Umstände publik gemacht wurden, wurden er und Taubert 1864 ihrer Ämter enthoben, wobei das Gehalt weitergezahlt wurde [3].

Fürderhin konzentrierte sich Dorn auf seine Tätigkeit als Kritiker und Schriftsteller. Seinen scharfzüngigen Kritiken, insbesondere für die Berliner Musikalische Zeitung, waren gleichermaßen geschätzt und gefürchtet.

Eine besondere Quelle für alle Musikinteressierten sind seine Memoiren, Erinnerungen und Aufsätze, die von 1870 an in insgesamt sieben Bänden („Aus meinem Leben“) erschienen sind. Sie bieten einen breit gefächerten und tiefen Eindruck in das Musikleben und dessen Entwicklung in Zeiten der Romantik. Doch auch seine Betrachtungen zur Musik an sich lohnen auch heute noch gelesen zu werden. Liest man beispielsweise seine Überlegungen zum Dirigieren, kommt einen der damals als altbacken empfundene Dirigent einen gleich modern und der heutigen Zeit gemäß vor. Wenn er sich darüber beklagt, dass einige seiner bis heute berühmten Dirigentenkollegen sich nicht davor scheuten, in Kompositionen, z. B. durch Änderungen der Orchestrierung einzugreifen, und er die Stellung des Dirigenten als Diener der Komposition und des Komponisten sieht, so scheint die heutige historisch informierte Aufführungspraxis gleichsam vorweggegriffen [8].

Heinrich Dorn starb am 10. Januar 1892 in Berlin [1].

Seine zahlreichen Kompositionen, darunter 10 0pern, einige Symphonien, religiöse Werke und eine große Zahl an Vokalwerken, insbesondere Lieder, sind heute vergessen. Nur eine seine Opern erfuhr 2004 eine kurze Wiederbelebung. Hiervon wird an anderer Stelle noch zu reden sein. In den offiziellen CD-Katalogen ist keines seiner Werke zu finden. Lediglich von seinem Lied „Das Mädchen an den Mond“ kann man sich Dank des „The Art Song Projects“ von Hélène Lindqvist und Philipp Vogler auf Youtube einen akustischen Eindruck verschaffen [9]. In seiner Zeit bereits unzeitgemäß geworden ist es nun an uns, ihn wiederzuentdecken. Seine Werke lohnen diese Mühe.

Referenzen

1) Kahl, Willi: Dorn, Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 79 [Onlinefassung]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116182776.html (zugegriffen: 01.09.2022)

2) Dahlhaus, Carl; Eggebrecht, Hans Heinrich (Hrsg.): Brockhaus Riemann Musiklexikon. Erster Band (1978), S. 336

3) Eitner, Robert: Dorn, Heinrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie (1904) [Onlinefassung]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116182776.html (zugegriffen: 01.09.2022)

4) Grohe, Helmut: Heinrich Dorn, ein „Kollege“ Richard Wagners. In: Neue Zeitschrift für Musik, Jg 106 (1939): S. 706ff

5) Fétis, François-Joseph: Biographie universelle des musicien et bibliographie générale de la musique (2e edition). Paris (1866) S. 47-48

6) Seib, Jasmin: Dorn (Familie) – (1) Heinrich (Ludwig Egmont). In: Axel Beer (Hrsg.) Musik und Musiker am Mittelrhein 2. URL: http://mmm2.mugemir.de/doku.php?id=dorn Last update: 2022/05/20 00:01 (zugegriffen: 01.09.2022)

7) Lindlahr, Heinrich: Historie der Rheinischen Musikschule. Teil 1 [Onlinefassung]; URL: http://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf4004/5.pdf

8) Dorn, Heinrich: Bedenklichkeiten. In: Aus meinem Leben. Sechste Folge: Streifzüge im Gebiete der Tonkunst. Berlin (1879) S. 56 ff

9) https://www.youtube.com/watch?v=mqfj9wGsa8k (zugegriffen: 01.10.2022)

Das Teatro Nacional de São Carlos

Wer eine Reise nach Lissabon unternimmt, wird wohl dies selten der klassischen Musik wegen tun. Doch sollte man die Stadt diesbezüglich nicht unterschätzen. Drei professionelle klassische Orchester haben dort ihr Zuhause: das Lisbon Metropolitan Orchestra mit seinem Stammsitz im Centro Cultural de Belém, das 1962 gegründete Orquestra Gulbenkian und das Orquestra Sinfonica Portuguesa (OSP). Letzteres ist das Hausorchester des Teatro Nacional de São Carlos, der Oper Lissabons. Es ist jedoch nicht nur als Opernorchester, sondern auch als symphonisches Orchster regelmäßig aktiv, sowohl im Centro Cultural de Belém, als auch im Teatro Nacional de São Carlos.
Das Teatro Nacional de São Carlos ist eines der ältesten klassizistischen Gebäude in Lissabon. Als Ersatz für das beim Erdbeben zerstörte alte Opernhaus wurde es 1793 eröffnet. Bis heute versprüht der Innenraum den Charme alter, kleiner klassischer Opernhäuser. Oberhalb des Parketts erheben sich seitlich in Hochparterre über vier weitere Stockwerke die kleinen Logen und Balkone. Reich verzierte Wände und die klassische Farbgestaltung in Gold, Beige und Grün lassen einen schnell an frühere Zeiten denken. So allerdings auch die dick gepolsterten Klappstühle, bei denen die sich durchdrückenden Sprungfedern daran erinnern, dass wohl schon viele Menschen schon viele Jahre hierauf gesessen haben.
Es ist immer wieder überraschend, wie sich die scheinbar immergleichen Rituale bei Opernaufführungen und klassischen Konzerten doch von Ort zu Ort und Land zu Land unterscheiden. Hier ein Erfahungsbericht:
Etwa eine halbe Stunde vor Beginn der besuchten Veranstaltung wurde Einlass gewährt. Freundliche Platzanweiser waren schnell zur Stelle und behilflich. Während ich mich noch staunend der Saaldekoration zuwandt, spielten sich die ersten Orchestermusiker auf der Bühne bereits ein. Nach und nach wurden es mehr und mehr, bis auch der letzte Musiker eingetroffen war. Während im Orchestergraben im Bayreuther Festspielhaus einst eine Tafel hing, die die Musiker gemahnte nicht zu präludieren, fetzten hier die unterschiedlichsten Melodiefragmente und Einspielübungen über die Bühne. Die nervtötende Kakophonie ließ Schlimmes befürchten, geübt wird ja doch wohl hoffentlich zuhause und bei den Proben. Im Publikum, weitgehend sportlich, gelegentlich leger gekleidet, mischten sich Touristen und Einheimische. Mit größerer Disziplin stellte sich schön in Reihen einziehend der Chor auf. Während anderenorts die Chormitglieder mit einem Applaus begrüßt worden wären, blieb hier das Gemurmel der weiterhin zuströmenden Zuschauer unverändert. Mit dem üblichen Stimmen der Instrumente wurde es ruhiger. Erst die Solisten und der Dirigent des Abends wurden mit herzlichem Applaus empfangen, während noch die letzten Zuhörer Einlass fanden. Doch was für eine Überraschung als die Musik, die Messa da Requiem von Giuseppe Verdi, unter der präzisen Leitung des Kapellmeisters Antonio Pirolli langsam und leise einsetzte. Die Skepsis wich dem Staunen über großartig gespielte Musik. In präziser Diktion setzte nach wenigen Takten der Chor (Coro do Teatro Nacional de São Carlos) ein. Spätestens als die Solisten (Roberta Mantegna, Sopran, Cátia Moreso, Mezzosopran, Luciano Ganci, Tenor und Rubén Amoretti, Bass) in den Gesang einstimmten, war klar: Dies sollte ein großartiger Abend werden! Besonders der warme, weiche Sopran von Roberta Mantegna wird mir in Erinnerung bleiben. Mühelos vermag sie ihre Stimme über das Fortissimo von Chor und Orchester zu setzen, zart schmelzendes Pianissimo entrücken in eine andere Welt. Wann habe ich zuletzt einen Tenor solch toller italienischer Stimmprägung wie von Luciano Ganci gehört? Auch die stimmliche und darstellerische Leistung von Cátia Moreso wird mir in Erinnerung bleiben. Eine tolle Leistung bot auch der Bass Rubén Amorettis, lebendig und abwechselungsreich seine Stimmgestaltung. Großer, verdienter Applaus und Jubel am Ende des Abends für alle Beteiligten!

L’Auditori Barcelona

Das Auditori, der Palau de la Música Catalana und das Gran Teatre del Liceu sind die wichtigsten Veranstaltungsorte für klassische Musik in Barcelona. Von Rezitalen, Kammerkonzerten bis zur klassischen und zeitgenössischen Musik reicht das Spektrum der im Auditori gebotenen Konzerte, wobei auch spanischer Folklore, der Welt- und Popmusik ein Forum geboten wird.

Das Auditori ist nicht nur die Heimat des Orquestra Simfònica de Barcelona i Nacional de Catalunya, sondern auch der Escola Superior de Música de Barcelona (Hochschule für Musik) und dem Museu de la Música. Es bildet somit einen gewichtigen Schwerpunkt der klassischen Musikszene Barcelonas.

Der Architekt Rafael Moneo hat ein Gebäude entworfen, was man insgesamt nur als sehr gelungen bezeichnen kann. Von außen betrachtet ist der 1999 fertiggestellte langestreckte Bau ein eher unauffälliger Zweckbau, der sich aber insgesamt in das moderne Viertel Glòries gut einfügt. Sein Gegenüber, das Teatre Nacional de Catalunya, ist da weitaus auffälliger. Doch die Werte des Auditori stecken im Inneren.

Während die Säle Sala 2 Oriol Martorell (600 Sitzplätze) und Sala 3 Tete Montoliu (400 Sitzplätze) ideale Bedingungen für kammermusikalische Veranstaltungen bieten, ist der Sala 1 Pau Casals (2326 Sitzplätze) ideal für Sinfoniekonzerte. Im Sala 2 prägt mittel- bis dunkelbraunes Holz die angenehme Raumatmosphäre. Nicht weniger angenehm ist der mit hellerem Holz gestaltete Sala 1 Pau Casals. Der Raum ist im Wesentlichen in drei Etagen gegliedert. Das Parterre und die vorderen Seitenbalkone sind nah an der Bühne. Das erste und zweite „Amfiteatre“ verlängern den Raum zusammen mit den Logen des Amfiteatre nach hinten, der damit insgesamt eher der Grundarchitektur „Schuhkarton-Konzertsaal“ zuzurechnen ist. Das hervorstechenste Merkmal ist aber die exzellente Akustik des Saals. Es scheint als würde der gesamte Raum erklingen; wie in einem Gitarrenkorpus umfängt einen der sonore Klang, bei dem jedoch zugleich auch die hohen Streicher kein Problem haben, transparent durchzudringen. Warmer und zugleich transparenter Raumklang ist die Quadratur des Kreises, die hier gelungen ist. Andere Säle mögen optisch bemerkenswerter sein, wie beispielsweise die Elbphilharmonie, jedoch ist der Sala 1 Pau Casals von den vielen von mir besuchten Konzertsälen derjenige, der mich in jeder Beziehung überzeugt hat. Es ist verwunderlich und schade, dass ihm international nicht mehr Aufmerksamkeit zukommt.

Das Passionsspielhaus Erl

Zusammen mit dem 2012 eröffneten Festspielhaus ist das Passionsspielhaus Zentrum der Tiroler Festspiele Erl. Trotz seiner brutalistischen Anmutung und wenigen Öffnungen erweckt es keineswegs den Eindruck eines Kulturbunkers. Bühne und Hinterbühne befinden sich in einem ansprechenden Halbrund, das von vorn einem abgeschrägten Zylinder gleicht. Wie das Bayreuther Festspielhaus ist das Passionsspielhaus ein reiner Zweckbau. Das in den Jahren 1957 – 1959 erbaute Gebäude verfügt ebenso weder über über eine Heizung, noch über eine Klimaanlage und kann daher im Winter nicht bespielt werden. Ca. 1500 Besucher finden in der gemäßigt ansteigenden Parterre Platz. Ein offenes Holzgebälk deckt den Zuschauerraum nach oben ab. Auch wenn das Gebäude zunächst ausschließlich für die Passionsspiele gedacht war, ist es auch für Konzerte und Oper gut geeignet. Auf eine aufwändige, in Opernhäusern sonst übliche Technik muss jedoch ebenso verzichtet werden wie auf einen Orchestergraben.

Bei der besuchten Aufführung von Wagners Lohengrin wurde das auf dem hinteren Teil der Bühne platzierte Orchester durch einen dunkel durchscheinenden Vorhang verdeckt. Die Leistung des Festspielorchesters kann sich zweifelsohne mit denen anderer guter Häuser messen lassen, wenn auch nicht mit der Spitzenklasse. Anders bei den Sängerinnen und Sängern, hier gab es durchaus Kräfte, die überaus zu beeindrucken vermochten. Wenn auch nicht alle ein solch hohes Niveau erreichten, gab es keinen Ausreißer nach unten – auch nicht in den kleineren Rollen.

Grüne Wiese statt grüner Hügel!